Meine Windhunde ... und ich

Ein Märchen aus Kurdistan ...

Erzählung aus meinem Manuskript „Goran – ein Saluki wächst heran“

Foto: Renfordt/Brandt

Es war einmal im fernen Kurdistan, dort lebte in einem Bergdorf ein wunderschöner, reinrassiger Saluki. Und weil er so schön war, bewunderten ihn alle Bewohner des Dorfes. Dieser Saluki bekam den Namen "Shab-gard". Das ist Persisch und bedeutet "Wächter der Nacht". Ja, Shabgard war mehr als nur ein Hund; denn er konnte seiner Familie das beschaffen, was sie brauchte – Schutz und Nahrung. Dass Shabgard auch eine Seele hatte, das konnte jeder sehen, der in seine Augen schaute. Güte und Sanftmut waren darin zu lesen und kamen als Gegengabe zurück.

Ab und zu konnte Shabgard auf dem kargen Hochland einen Hasen erwischen, den er folgsam vor die Füße seines Herrn legte. Dieser zog dem Hasen das Fell ab und briet ihn am Feuer. Auf diesem Wege sorgte der Hund für die Familie seines Herrn und verhinderte, dass sie an Hunger starb; denn Hunger, der im Magen weh tut, den kannten sie alle – Mensch und Tier. Deshalb war es zu verstehen, dass dieser Windhund bei den Dorfbewohnern eine besondere Stellung einnahm. Ja, es war ihm sogar erlaubt, nachts unter die warme Schlafdecke seines Herrn zu schlüpfen. Nachdem die Familie ihren Hunger gestillt hatte, bekam er auch seinen Anteil, der aus den Resten der Jagdbeute bestand.

Trotz dieser Wertschätzung, was den anderen Dorfhunden nicht zukam, konnte niemand das Unheil verhindern, was sich eines Morgens anbahnte.

Als Shabgard von der Jagd nach Hause kam, war das Dorf zerstört. Die Menschen bewegten sich nicht mehr und waren still. Das machte dem Hund Angst. Was war bloß geschehen? Shabgard lief zum Haus seiner Familie, auch sein Herr lag am Boden. Auch als er ihm einen kräftigen Nasenstüber versetzte, wollte er nicht aufstehen. Da ahnte der Hund, es war etwas Unabänderliches geschehen und er musste gehen. So machte sich Shabgard auf in die Berge. Nun hatte er keinen Herrn mehr und war ein herrenloser Hund. Tag für Tag verging und Shabgard lebte schon seit ein paar Wochen in den Bergen. Es war schon spät im Jahr und nachts war es bereits sehr kalt. Unterwegs fing er ab und zu einen Fisch im eiskalten Wasser oder grub eine Maus aus. Einmal hatte er besonderes Glück und fing einen mageren Hasen. Nachts rollte er sich zusammen und legte sich unter einen Stein. Sein dichtes Fell verhinderte, dass er fror. Überall waren Schüsse zu hören. Das erschreckte Shabgard sehr und machte ihm noch mehr Angst. Diese Angst ließ ihn immer weiter laufen. Nach ein paar Wochen überquerte er irgendwo die Grenze zu einem anderen Land.

Als am nächsten Tag ein junger Bauer diesen Saluki entdeckte, machte sich dieser gerade an dem Hühnerstall zu schaffen. Der Hunger hatte ihn jede Angst vergessen lassen. Der Mann gab ihm eine Scheibe Brot und da konnte er Shabgard am Nacken packen. Er zerrte ihn ins Haus. Nun sollte für den Hund bald ein neues Leben beginnen; denn der Bauer bekam von einem Verwandten aus Deutschland Besuch. Dieser Mann nahm ihn mit in dieses Land, das wurde Shabgards neue Heimat.

Als Shabgard nach Deutschland kam, besaß er immer noch sein dichtes, silbergraues Fell, das er sich hoch oben in den Bergen von Kurdistan zugelegt hatte. Doch bald zeigte sich unter diesem Wolfspelz ein edler Saluki mit einem noch edleren Charakter. Seine Sanftmut und Klugheit ließen ihn die schlechten Erfahrungen bald vergessen. Diese Eigenschaften und einen wunderbaren Charakter vererbte er an seine Töchter und Söhne.
Shabgard az-Piran wurde Deutscher Champion.

Ich bin stolz darauf, dass ich diesen Saluki in Hamburg kennen lernen durfte und einen Sohn von ihm besitze. Shabgard bleibt mir in guter Erinnerung und lebt in seinen Kindern weiter.


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