Meine Windhunde ... und ich

Gorazan al-safi

 9.5.1996 – 13.4.2008

Danke dir, mein lieber Freund

Gorazan am 4. April 2008

Ein gutes Fresschen war für meinen Freund „Gorazan“ oder „Goran“, wie ich ihn auch nannte, immer eine gute Sache. Deshalb hatte er schon zu Rennzeiten etwas mehr auf den Rippen als die meisten anderen seiner Mitläufer.

Doch seit neun Tagen schmeckte es meinem Goran, der in drei Wochen seinen zwölften Geburtstag feiern sollte, leider gar nicht mehr. Das machte mir schreckliche Sorgen; denn so etwas hatte ich schon mal genau vor vier Jahren erlebt, als er einem anderen Rüden einen Ball abnahm, mit der „Beute“ fortlief und aus lauter Übermut diesen sogar verschluckte.

Schnell nahm er letzte Woche mehr als drei Kilogramm wegen eines Magen-Darm-Infekts ab. Dieser schädigte den Darm, schwächte das Herz und das Immunsystem. „Doch die Pfunde kommen schnell wieder drauf, wenn er wieder richtig frisst“, tröstete ich mich. Also musste die Zeit überbrückt werden. So fuhren wir wieder jeden Tag zur Tierarztpraxis und Goran bekam täglich Infusionen. Es war bewundernswert, welche Kraft und welchen starken Willen er während der letzten Woche entwickelte. Dabei bestimmte er auf unseren täglichen Spaziergängen immer mehr die Wege. Ich wollte letzten Samstag eine kleine Runde machen, doch er setzte sich durch und wollte einen weiteren Weg gehen: Zuerst ging es hinunter ins Tal, durch den Wald, zum Bach und dann sogar noch den Berg hoch. Und dann waren wir auf der Hochebene, die wir die „Hundewiese“ nennen. Als die anderen nicht dort waren, wollte er unbedingt auf sie warten. Ich musste meinen Hund zum ersten Mal zurück nach Hause ziehen. Unterwegs blieben wir oft stehen, er verweilte und sah sich die Gegend immer wieder an. Das hatte er noch nie gemacht! „Will er vielleicht Abschied nehmen?“, kam es mir plötzlich in den Sinn. Jeden Tag hatte er mehr seinen Willen durchgesetzt und den Weg bestimmt, den er zusammen mit mir gehen wollte. Ich erfüllte ihm auch gerne diesen Wunsch; denn mein geliebter Hund war krank und sollte bald wieder gesund werden. Dabei hatte ich oft Angst, dass ich ihn nicht mehr nach Hause bekam, doch er war unerbittlich mit mir. Wenn ich wie eine Leibeigene nachgegeben hatte und seinem Willen folgte, war er bereit mit mir Schritt zu halten. Schlug ich mal einen anderen Weg ein, um ihn ein bisschen zu überlisten, zog er sofort sämtliche „Bremsen“. Was für eine Kraft, was für einen starken Willen! Ich fühlte mich schwach und gab gerne nach, weil ich nachts nur in Etappen geschlafen hatte, um auf ihn zu achten. Dieser Saluki hatte einen starken Lebenswillen und musste wieder gesund werden! Das war sicher und das wünschte ich mir so sehr.

Doch dann kam der letzte Sonntag: Wir fuhren morgens wieder zur Arztpraxis, wo er seine Medikamente erhielt. Dann ging es mittags wieder zurück nach Hause. Nach einer Zeit wollte er wieder hinaus und nahm die Richtung zum Bach, wo er einen Tag vorher im kalten, erfrischenden Wasser gebadet und getrunken hatte. Doch auf dem Wege dorthin, drehte er plötzlich um und ging wieder zurück. Was war geschehen? Das hatte er noch nie gemacht! Als wir wieder Daheim ankamen, ging er wie gewohnt in sein Hundebett, legte sich hin und kuschelte sich entspannt in seine Decken ein. Dabei legte er den Kopf auf seinen Teddy, den er seit seiner Welpenzeit besaß und oft liebkoste. Mein Mann rief und ich eilte ins Wohnzimmer. Es war ihm aufgefallen, dass mein geliebter Hund zweimal tief atmete. Ich sah nur noch, wie Goran die Augen verdrehte und noch einmal tief atmete, dann wurde der Atem zusehends flacher und ich konnte sehen, wie etwas unter den Rippen flimmerte – ich wusste, was das bedeutet, er hatte Herzkammerflimmern. „Was soll ich bloß machen?“, fragte ich mich in Panik und die Gedanken schossen wie wild und alle auf einmal durch meinen Kopf. Doch dann streichelte ich meinen Hund, redete beruhigend auf ihn ein und sagte: „Gehe hin in Frieden, mein geliebter Freund!“

Nun bin ich und wir alle in der Familie sehr traurig. Die Trauer ist unsagbar groß; denn Goran fehlt mir schon heute und hat eine große Lücke hinterlassen. Er war mein bester Freund und der „Champ meines Herzens“. Danke, mein Freund, für die schönen und erlebnisreichen zwölf Jahre mit dir.

Gorazan am 4. April 2008

Goran hatte ein wunderbar souveränes Wesen und zeigte immer viel Disziplin. Auf Artgenossen ging er offen und freundlich zu. Es wäre ihm nie in den Sinn gekommen, Menschen auch nur mal anzuknurren. Seine Zuneigung war nie aufdringlich, sondern immer von vornehmer Zurückhaltung getragen und mit viel inniger Zärtlichkeit versehen. Er eroberte alle Herzen, die ihn kannten, aber auch von denen, die zuerst Angst vor großen Hunden besaßen. Kindern gegenüber war er immer besonders nachsichtig und geduldig. Er verstand es, sich verständlich zu machen und nahm uneingeschränkt an unserem Familienleben teil. Mein eigener Saluki war mein liebstes Foto-Modell und immer fotogen. Niemand wurde so oft fotografiert wie er. Ich hatte sogar das Gefühl, dass er im Alter immer schöner und jünger aussehend wurde. Wenn ich die Camera nahm, blieb er sofort stehen und stellte sich in Pose. Nun schauen mich diese Bilder überall an und das tut schrecklich weh. Goran „musizierte“ mit meinem Mann und konnte passend zu Rhythmen „singen“. Er fuhr mit uns oft an die Nordsee und holte mich sogar vom Computer weg, wenn er befürchtete, dass ich ihn vergessen haben könnte. Ich hatte oft den Eindruck, dass er alles verstand und einiges bereits vorher ahnte. Wenn er einen Leckerbissen vom Tisch haben wollte, starrte er mich zuerst mit seinen hübschen dunklen Augen an und zeigte mir dann seine Zunge. Besonders aber liebte er ein gutes Abendessen, wofür er sich, wenn es nach seiner Meinung besonders gut war, bedankte. Er kam dann zu mir, gab mir immer wieder seine Pfote und leckte mir als Ehrerbietung sogar die Hand. Trotz großer vererbter Hasenschärfe und Hetzleidenschaft gehorchte er mir meistens, im Alter jedoch sehr  zuverlässig. Deshalb durfte er jeden Tag auf unseren langen Spaziergängen von der Leine und mit seinen Freunden spielen und viel frei laufen. Dann war dieser Windhund in seinem Element! Und niemand konnte mit ihm an der Leine fortgehen, wenn er beobachtet hatte, dass ich mir die Jacke anzog. Ja, wir waren zusammen ein starkes Team!

Dieser Saluki, dessen Mutter aus einer alten deutschen Zucht stammte und einen Direktimport aus den Ursprungsländern zum Vater hatte, war bis zum letzten Atemzug diszipliniert und ursprünglich, weil er genau wusste, was ihm gut tat und was nicht. Auch in seinem Verhalten zeigte er viel Instinkt, dieser verdeutlichte mir die Gesetze der Natur und brachte mich ein bisschen näher an die Geheimnisse des Lebens heran. Deshalb habe ich viel von ihm gelernt. Auch dafür Danke, mein lieber Freund.

Nun ist mein geliebter Freund über den Regenbogen gegangen und verfolgt in den Ewigen Jagdgründen mit seinen Schwestern und Brüdern zusammen Häschen und jagt freche Eichhörnchen auf die Bäume. Auch all seine bereits verstorbenen Freunde von der Hundewiese wird er dort wieder treffen. Er wird eine schöne Zeit haben mit Angie, Mona, Aladin, Basco, Wörles, Ketchie und Benji und wird wie so oft der Schnellste sein.

Ich füge ein Foto ein, das Goran am 4. April 2008, neun Tage vor seinem Dahinscheiden, zeigt. Jeder, der in diese wundervollen Augen schaut, entdeckt die Ausstrahlung und die Seele dieses außergewöhnlichen Saluki. Und nun, mein geliebter Freund, laufe über die Regenbogenbrücke hinauf zum Stern Sirius; denn ich weiß, eine Saluki-Seele will laufen...

Gerade schaue ich aus dem Fenster und sehe, wie ein Eichhörnchen mit einer Nuss im Maul sich genau auf das Grab meines geliebten Freundes setzt. Was soll das bedeuten? Ich kann nicht anders, ich muss es verjagen.

In stillem Gedenken

Dr. Margrit Miekeley und Familie

P.S.: Goran's Erlebnisse als Welpe und Junghund können in meinem Buch "Ein Leben mit Windhunden und anderen Tieren. Erlebnisse und Erfahrungen", das im Kynos Verlag erschienen ist, nachgelesen werden. Demnächst veröffentliche ich auf meiner Website eine Bildergalerie über meinen geliebten Goran als Nachruf.


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