Meine Windhunde ... und ich

Gedanken zur Rassehundezucht

Während meines Biologiestudiums war „Genetik“ eine Teildisziplin in meinem Studium. Da ich keine Tiere züchte, bin ich zur Zeit keine „praktizierende“ Genetikerin. Das überlasse ich den aktiven Züchterinnen und Züchtern.

Nun höre ich, dass es bei einigen Windhundrassen fehlende oder verknorpelte letzte Rippen geben soll.

Es stellt sich mir zuerst die Frage, wann Schädigungen am Knochenskelett bei Tieren ontogenetisch auftreten? Bekanntlich findet die Keimblattbildung in der Gastrula-Phase der Zellteilung statt. Da alle Chordata drei Keimblätter vorweisen, werden Wirbelsäule und Rippen im innersten Keimblatt (Entoderm) gebildet. Die Keimblattbildung geschieht nach der eigentlichen Zellteilung. Infolgedessen sind die wesentlichen Zellteilungsprozesse mit der Blastula abgeschlossen. Zellschädigungen sind aber in dem Gastrula-Stadium noch möglich.

Wenn es nun Windhunde gibt, die ein deformiertes Knochenskelett vorweisen, dann denke ich an meine Zuchtversuche während meines Biologie-Studiums zurück; denn ich züchtete Fische konsequent auf Inzuchtbasis, um Homozygoten zu erhalten. Nach einer gewissen Zeit waren Deformationen und Organdefekte an vielen Tieren festzustellen. Diese Beobachtungen gaben mir schon damals zu denken und sie haben meine spätere Einstellung, was das Züchten von Tieren betrifft, maßgeblich beeinflusst. Aus diesem Grund kann ich den Gedankengang unter tierschutzrechtlichen Aspekten nicht nachvollziehen, dass Inzucht und sogar Inzestzucht legitime Mittel zur Sanierung von Linien sein sollen, bei der rezessive Erbmerkmale, wie Krankheiten, phänotypisch auftreten und somit liquidiert werden können.

Besonders die Nutztier-Zucht zeigt recht anschaulich, wohin exzessives Zuchtverhalten führt. Ich denke, diese Ergebnisse sollten uns warnen, wenn Hundenasen beim Atmen nach Luft schnappen oder Hundeaugen ständig triefen. Jeder Züchter sollte sich vor der Verpaarung über den gesundheitlichen Zustand der Zuchttiere informieren und sie gründlich vom Tierarzt untersuchen lassen. Weitere Informationen über Krankheiten von verwandten Hunden sind ebenso einzuholen. Dann ist nach bestem Wissen und Gewissen zu entscheiden und das sollte immer im Sinne der Kreatur stattfinden.

Noch einmal zurück zur Anatomie: Der Hund hat 13 Rippen, wobei die ersten 9 mit dem Brustbein verbunden sind, deshalb werden sie Tragrippen genannt. Die letzten 4, die Atmungsrippen, sind mit Knorpel versehen, was für mehr Flexibilität beim Atmen sorgt.

Wenn es wirklich einige Hunde gibt, die eine fehlende oder verknorpelte letzte Rippe aufweisen, dann könnte es sich um eine Windhund spezifische Mutation handeln. Das heißt, die Lunge hat mehr Raum zum Atmen durch Volumenerweiterung. Hier spekuliere ich einmal, dass es sich hierbei um eine Mutation zur Anpassung an die Lebensweise (Laufen) handelt. Da dieses Phänomen aber nicht alle Windhunde zeigen, muss ich doch weiter fragen, warum haben es dann nur einige? Wie wurden diese gezüchtet? Nun sind wir beim Ausgangspunkt wieder angelangt: Mutationen sind in lang ingezüchteten Stämmen möglich, da sie dort erwünscht sind; denn durch sie entstehen neue Rassen.

Nun frage ich provokant mal: Wie mag der Windhund der Zukunft aussehen, wenn sie immer schnellere Zeiten laufen? Könnte man nicht noch eine weitere Rippe „wegzüchten“, um vielleicht noch schnellere Zeiten zu erreichen? Doch wie sieht es dann mit der statischen Festigkeit des Skelettes noch aus? Ist der Standard überhaupt noch gültig und anzuwenden? Ein jeder konstruiert sich seinen Windhund nach seinen Vorstellungen! Das sind Visionen aus Frankensteins Gruselkabinett.

Also kurzum: Ich meine, es kann nicht okay sein, dass sich die Anatomie eines Wirbeltieres dermaßen verändert, da ich mich doch fragen muss, warum kommen wild lebende Wirbeltiere, die ebenfalls schnell laufen können (Gepard) und viel Platz für die Lungenflügel benötigen nicht mit einer „fehlenden bzw. verknorpelten“ Rippe direkt zur Welt? Hat bei diesen Tieren die Spezialisierung noch nicht statt gefunden und ging bei ihnen die Evolution vielleicht sogar vorüber? Damit ergibt sich für mich eine neue Frage: Ist die Wildform züchterisch noch richtungsweisend und sollen sich Züchter überhaupt noch an ihr orientieren? Kann es dann ethisch vertretbar sein, dass wir Geschöpfe nach unseren Vorstellungen und Nutzungsmöglichkeiten kreieren?

Nun aber Schluss mit all dem Fragen und Philosophieren ...


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