Meine Windhunde ... und ich

Gedanken zur exzessiven Ausrichtung von Merkmalen

am Beispiel eines Saluki mit überwinkelter Hinterhand

Nur noch als Karikatur eines Saluki kann man die "armen Kreaturen" mit exzessiven Merkmalen ansehen, die manchmal auf Ausstellungen gezeigt werden. Vor allen Dingen gibt eine extrem überwinkelte Hinterhand dem Betrachter zu denken. Deshalb ist es mir ein Anliegen, an die Züchter zu appellieren, dass sie sich vor solchen „züchterischen Kapriolen“ hüten mögen. Die Köpfe dieser Salukis können allerdings recht repräsentativ sein, da die Hunde einen übermäßig langen Behang vorweisen. Schaut man sich die Proportionen jedoch in der Gesamterscheinung an, so wirken die Hunde „kopflastig“ und der Hals zu lang. Auch das Gangwerk lässt zu wünschen übrig; denn die Vorderbeine werden nach Afghanenmanier oftmals weit nach vorne geworfen. Die stark überwinkelte Hinterhand sehe ich nicht nur als Verstoß gegen den Standard an, wobei dieser einen großen Spann an Interpretationsmöglichkeiten zulässt, sondern auch als Verstoß gegen das Grundrecht eines Hundes, das darin besteht, dass sich ein Hund in jeder Situation uneingeschränkt bewegen können muss. Für mein Auge schleichen diese Hunde teilweise schon und zwar wie ein Tiger mit gesenktem Rücken.

Beim Laufen meine ich nicht die Rennbahn, sondern die natürliche Fortbewegung als Lauftier „Hund“. Man kann die Befürchtung haben, dass irgendwann die Nachzucht eines solchen Saluki, der eventuell mit einem ähnlich gewinkelten Hund wiederum verpaart wird, so dass dieses Merkmal durch Verdoppelung der Gene Dominanz gewinnt, nicht mehr imstande ist, sich als Hetzhund zu bewegen. Das heißt, er wird über lange Strecken schnell ermüden oder aber auf unwegsamen Gelände mehr verletzungsanfällig sein. Wenn entsprechendes Gewicht dann noch die Gelenke belastet, lassen krankhafte Veränderungen der Gelenkpfanne (Hüftdysplasie) oder ein Fehlstand der Beine nicht mehr lange auf sich warten. Diese Phänomene zeigen die Folgen einer Fehlzüchtung an. Dazu sollte man sich die Seiten von Frank van Tatenhove "Movement of the Dog" ansehen.

Das sind alles die Exzesse, die man als Zuschauer auf Ausstellungen immer wieder zu sehen bekommt. So was tut mir für die Hunde leid; denn Hunde dürfen nie irgendwelchen menschlichen Modetrends unterworfen werden!

Jemand meinte neulich zu mir, dass einige Salukis auf der Rennbahn auch nicht gerade schön seien. Auch wenn Schönheit durchaus Geschmacksache ist, so kann ich diesen Einwand nur teilweise unwidersprochen stehen lassen. Es kann heute durchaus sein, dass einige „Rennbahnhunde“ ebenso fragwürdige Merkmale im Phänotyp besitzen, wie bspw. ein zu plumper Kopf, zu karge Befederung, geringelte Rutenhaltung, Katzenpfoten, usw.. Wenn man den Standard oder sein eigenes Schönheitsideal streng vor Augen hat, mag das manchmal stimmen. Doch diese Merkmale mindern nicht die Funktionalität eines Hundes, weil sie alle unter dem Oberbegriff "Schönheit" anzusiedeln sind. Züchter, die einen schnellen Windhund züchten wollen, schauen oft nicht mehr oder zu wenig selbstkritisch auf Schönheitsmerkmale. Nach meiner Meinung sollten jedoch Schönheit UND Leistung in einem ausgeglichenem Verhältnis auf beiden Seiten vorhanden sein, wie einige Saluki-Rüden bewiesen haben, dass dieses ohne Weiteres möglich ist. Hier denke ich an einige Zuchtrüden, wie „Meltem, Ilchan, El-Tha-Rih“ usw. in der Saluki-Zucht, die Schönheit UND Leistung im hervorragenden Maße repräsentierten. Auf der anderen Seite stehen allerdings einige Salukis (beiderlei Geschlechts), die nur noch an Shows teilnehmen, die keine bemuskelte Hinterhand mehr vorweisen, weil sie vermutlich zu wenig Bewegung haben. Das darf auch nicht sein. Denn ohne Muskelmasse kann ein Hund nicht ausdauernd laufen.

Alle exzessiven Merkmale sind also „trendy“, weil sie dem Zeitgeist unterworfen sind. Sie sind Blickfang für das Auge und deshalb sind sie in der Lage, die Bewertung einiger Richter zu beeinflussen. Das ist der Fall, wenn ein Richter einen Hund mit wunderschönem Kopf, guter Befederung und ausreichenden Linien, jedoch mit einer „kuhhessigen“ Stellung der Hinterbeine (vor allen Dingen in der Fortbewegung) nicht mehr sieht. Sollten solche Hunde mit entsprechenden Titeln versehen werden, besteht durchaus die Gefahr, dass die Namen solcher Exemplare in Ahnentafeln später irgendwann mal auftauchen.

Doch der eigentliche Fehler besteht darin, dass wir Menschen auf solche Äußerlichkeiten "abfahren". Eigentlich beginnt es schon damit, wenn ein Hund seine Hinterbeine auf Ausstellungen herausgezogen bekommt. Solch eine Präsentation passt nicht zum Saluki, weil ein natürlicher Stand ihm angemessener ist. Früher wäre die Vorstellung unmöglich gewesen, dass ein Boxer mit unkupierter Rute sich im Ring aufhält und Bundessieger wird. Das Kupieren von Ruten ist heute zum Glück aus Tierschutzgründen verboten, weil diese einen physiologischen Zweck beim Vierbeiner erfüllen. Das unnatürliche Vorführen eines Windhundes entspricht nicht seiner Natur und müsste genau so verboten werden!

Züchter müssten sich meines Erachtens beim Züchten von Windhunden wieder auf das Wesentliche besinnen. Allerdings bleibt die Frage: Was ist das Wesentliche beim Züchten, wenn es keine „echte“ Funktion bei einer Rasse mehr gibt? Bei den Windhunden ist es das Jagen gewesen. Dafür wurden sie einst gezüchtet. Es geht m.E. nicht um die Mode einer Zeit, sondern maßgeblich um die Gesundheit und Funktionstüchtigkeit unserer Vierbeiner.

Wenn die immer wieder auftauchende Frage nach der Reinrassigkeit eines Hundes gestellt wird, so habe ich für solche Maßnahmen, diese zu beweisen, kein Verständnis. Dieses Anliegen lenkt von der eigentlichen Problematik ab, die aber viel notwendiger wäre: Und das sind molekulargenetische Tests, um Marker zu entwickeln, damit Krankheiten in einer Linie durch konsequente Zuchtauswahl beseitigt werden. Hier fällt mir vor allen Dingen zuerst die Epilepsie ein, doch es gibt noch weitere schreckliche Erkrankungen. Ich weigere mich, die Reinrassigkeit eines Hundes voreilig anzuzweifeln, wenn ein unbedeutendes Schönheitsmerkmal nicht hundertprozentig dem Standard entspricht.

Die Rasse Saluki darf nie ein Beispiel für eine züchterische Fehlplanung werden! Wir sollten uns erinnern, dass wir Windhunde halten, weil sie Lauf- und Hetzhunde sind und die deshalb den Gebrauchshunden zuzuordnen sind.

In dem Sinne,

Dr. Margrit Miekeley
Im Dezember 2008


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