Meine Windhunde ... und ich

Molekulargenetik

DNA-Testverfahren und ganzheitliche Gesundheitsvorsorge in der Hundezucht

Meine Veröffentlichung in "Unsere Windhunde", Verbandszeitschrift des DWZRV, Heft 2, 2004, Seiten 16 und 17

Es ist zwar schon eine Zeitlang her, doch nicht so lange, als dass ich vergessen haben könnte, wie ich als Studentin der Biologie homozygote (reinerbige) Guppys (Poecilia reticulata) im Langzeitversuch züchten wollte. Das heißt, diese äußerst farben- und formenreichen Fische sollten über mehrere Generationen hinweg nur noch wenige (erwünschte) Merkmale vorweisen.
Dieses Vorhaben realisierte ich über mehrere Jahre durch stark ingezüchtete Fischstämme. Doch schon nach einer gewissen Zeit wurde meine wissenschaftliche Begeisterung von der Feststellung getrübt, dass nicht nur Vitalität und Fruchtbarkeit nachließen, sondern dass auch ein Fischchen nach dem anderen "das Zeitliche segnete". Die Fische zeigten schwerwiegende Erkrankungen an Organen und am Skelett. Ebenso war eine Resistenz gegenüber Bakterien und Viren kaum vorhanden, so dass ihr Immunsystem nicht mehr in der Lage war, auf sich ändernde Umweltbedingungen flexibel zu reagieren. Hier wurde mir in wenigen Generationsfolgen und in kurzer Zeit "Inzuchtdepression" vorgeführt, weil die Natur eben in "natürlicher" Weise mit Selektionsmaßnahmen auf mein züchterisches Verhalten reagierte. Bekanntlich kann nur die Spezies in der Evolution überleben, die genetisch in der Lage ist, sich ändernden Umweltverhältnissen anzupassen.

Wie sieht es nun bei unseren Freunden, den Hunden, aus? Heute gibt es ungefähr 400 verschiedene Hunderassen, für die ein bestimmter Rassestandard gilt. Das bedeutet, es sollen bestimmte Merkmale für eine Rasse erhalten bleiben. Aus diesem Grund werden immer wieder Hunde mit idealen Rassestandardmerkmalen untereinander verpaart. Dieses führt nicht nur zum "idealen" Rassehund, sondern ebenso zu einer Verbreitung von Krankheitsmerkmalen in den verschiedenen Rassen, da durch Inzucht seltene Krankheits-Allele ebenso vermehrt auftreten. Davon werden Windhunde selbstverständlich nicht verschont; denn sie unterliegen Naturgesetzen in gleicher Form. Homozygotie (Reinerbigkeit) ist unter Hunden recht selten anzutreffen und krankmachende, rezessive Gene können sich im Erbgut des Hundes über viele Generationen versteckt aufhalten.
Dann besteht auch die Möglichkeit, dass Erbkrankheiten durch Mutationen (Erbsprünge) hervorgehen. Wenn sie in einem Gen vonstatten gehen, wird von einer "monogenen Erkrankung" gesprochen. Doch am meisten kommen Erkrankungen vor, die nicht monogener Art, sondern multifaktoriell bedingt sind. Das bedeutet, sie kommen durch das Zusammenspiel von Mutationen in mehreren Genen und darüber hinaus durch Einflüsse der Umwelt zustande. Hier können Stressfaktoren eine große Rolle spielen. Eigentlich wird eine Zelle bei der Teilung korrekt kopiert, so dass identische Gene entstehen, doch durch Enzymdefekte bspw. können Mutationen entstehen, die an die nachfolgenden Zellgenerationen weitergegeben werden. Radioaktive oder ultraviolette Strahlung und chemische Faktoren, wie Medikamente (Antibiotika, Cortison, u.a.), Konservierungsmittel u.andere sind Einflüsse, die die DNA (Desoxyribonukleinsäure) verändern können. Ebenso stehen Viren und Bakterien sowie deren Ausscheidungen (Endotoxine) in Verdacht, dass sie in der Lage sind, auf das Erbgut Einfluss nehmen zu können.
Die genetische Information erfolgt durch die Nukleotiden (Phosphat- und Basengruppen), die sich in der DNA der Lebewesen befinden. Die DNA ist in Chromosomen organisiert und bestimmt körperliche Merkmale, aber auch Verhaltensweisen, Stoffwechseleigenschaften und den Enzymhaushalt. Das Hundegenom (Erbgut des Hundes) besteht aus ca. 3 Milliarden Nukleotidpaaren, die auf 39 Chromosomenpaare verteilt sind. In den Körperzellen liegt die genetische Information jeweils doppelt vor, wobei je ein vollständiger Chromosomensatz von der Mutter und einer vom Vater stammt. So ist jeder Hund etwas Einzigartiges, durch die Kombination von Eigenschaften, die er von Mutter und Vater mitbekommen hat. Wegen der 50/50 Weitergabe an Chromosomen ist es möglich, ein DNA-Profil als zweifelsfreien Nachweis der biologischen Eltern zu erstellen. Es ist ein Rechenexempel mit vielen Nullen, um dann mit Erstaunen festzustellen, dass ein Hund von seinen Vorfahren aus der 15. Generation, es sind immerhin 32.768 Hunde beteiligt gewesen und mindestens 75 Jahre vergangen, noch ca. 10 % der Nukleotiden von damals besitzt. Das ist relativ viel.

Die Testverfahren der Molekulargenetik ermöglichen es heute, rechtzeitig Erkrankungen zu diagnostizieren. Allerdings sind die Forscher auf die gute Zusammenarbeit mit Züchtern und Haltern angewiesen. Es wird Diskretion selbstverständlich zugesagt. Ich füge Adressen an, so dass der interessierte Leser sich im Internet über DNA-Testverfahren informieren kann.

Durch Forschungsprojekte, die an deutschen und amerikanischen ("The Dog Genome Project") Universitäten laufen, wird das Erbgut des Hundes erforscht und als Karte momentan aufgezeichnet, damit krankheitsverursachende Allele nach dem Motto "erst, wer den Feind kennt, kann ihn bekämpfen" identifiziert werden. Dabei wurde unter anderem auch festgestellt, dass das Erbgut des Hundes in großen Teilen dem des Menschen ähnlich ist. Daraus ergeben sich für die Erforschung von bestimmten Krankheiten in der Humanmedizin (Blindheit, Krebserkrankung) neue Chancen. Nun wissen wir noch besser, warum Hunde uns Menschen seit 15.000 Jahren so nahe stehen; denn hier treffen mal wieder geistes- und naturwissenschaftliche Resultate aufeinander, die sich zu einem großen Ganzen in der Hund-Mensch-Beziehung zusammenfügen. Denn sie setzt gerade auf das Verstehen bei der Kommunikation zwischen Mensch und Hund. Bereits 1931 bekennt der Soziologe Theodor Geiger: "Es sind offenbar bei Mensch und Tier im allgemeinen die ... gleichen Anlagen vorhanden; verschieden ist die Art ihrer Betätigung" (s. Geiger, 1931, a.a.O., S. 288). Dieser Ausspruch von damals hat sich heute durch die Molekulargenetik als biologisch richtig erwiesen. Der Hund hat sich in hervorragender Weise auf den Menschen eingesestellt. So fand der Professor Vilmos Csányi, Ethologe an der Budapester Universität, durch Experimente heraus, dass allein der Hund wie kein anderes Tier menschliche Signale deuten kann und danach sein eigenes Verhalten ausrichtet. Welpen seien von Geburt an in der Lage, der Körpersprache (Blicke und Gesten) des Menschen zu folgen. Hunde können wie Menschen Regeln und Rituale verstehen und sich nach ihnen richten. 20 bis 30 solcher Rituale könnten ein primitives Kommunikationssystem bilden. Hunde verstehen durchschnittlich 30 Wörter der menschlichen Sprache. Ebenso wurden von der kalifornischen Wissenschaftlerin Sophia Yin Spektogramme von über 4.600 hündischen Lautäußerungen analysiert, die sie mit 80 %-iger Trefferquote bestimmten Situationen zuordnen konnte. Ja, es muss so sein, Hunde sind dem Menschen nicht nur Freund, sondern sie sind mit uns genetisch auch "verwandt". Verwandten begegnet man mit Respekt und Wohlwollen.

Grundsätzlich sollte jede Krankheit in einer Zucht als ein ernst zu nehmendes Warnsignal gesehen werden. Wenn aber Krankheiten, wie bspw. generalisierte Progressive Retina Atrophie (gPRA), Pyruvat-Kinase Defizienz (hämolytische Anämie), X-SCID (Schwere Immundefizienz) und Epilepsie vermutet werden, bieten sich Möglichkeiten der Molekulargenetik an, um das Diagnoseverfahren und die anschließende Therapie durch einen DNA-Test zu erleichtern. Ebenso kann auf dem Wege die genetische Variabilität innerhalb einer Rasse erhalten bleiben und die Verbreitung von krankheitsverursachenden Allelen wird unterbunden. Ein molekulargenetischer Test hat außerdem den Vorteil, dass die Diagnose lange vor Ausbruch der Erkrankung gestellt werden kann und der Züchter in der Lage ist, die Welpen für die Weiterzucht gezielt auszusuchen. Eine frühzeitig eingeleitete Therapie ist in der Lage, einem betroffenen Tier viel Leid zu ersparen. Der DNA-Test ist als sicher anzusehen; denn wenn die Eltern kein krankheitsverursachendes Allel tragen, geben sie auch keines an ihre Nachkommen weiter.
Zur Zeit laufen Forschungsprojekte an deutschen und amerikanischen Universitäten zur DCM (Dilatative CardioMyopathie) und AIHA (Auto-Immune Hämolytische Anämie) bei Hunden. Nach meinem Wissen gibt es für diese Krankheiten bisher leider keine DNA-Tests.

Darüber hinaus sollte der Züchter lange vor der Verpaarung der Elterntiere eine gründliche Ahnenforschung betreiben, wobei er besonders sein Augenmerk auf Krankheiten und Todesursache legen sollte. Das Wissen um die Erfolge eines Hundes reicht nicht aus, um einen Multichampion mit einem weiteren Multichampion zu verpaaren! Junge Züchter können die Erfahrungen von älteren nutzen, weil sie es gerade sind, die viele Hunde in einer Stammbaum-Datenbank noch persönlich kannten. Als Erfahrungsaustausch und Information könnten auch die Möglichkeiten des Internets genutzt werden. Es fragt sich, ob eine grundsätzliche Registrierung der Todesursache vorgenommen werden sollte.

Doch ich denke, dass auch der Halter dazu beitragen kann, dass ein Hund mit einer genetischen Vorbelastung möglichst lange gesund bleibt:
Jedes Zuviel an Stress setzt das Immunsystem gefährlich herunter. Aus diesem Grund ist ein vernünftiges Maß an Veranstaltungen (Rennen/Coursings/Ausstellungen) zu empfehlen, um Stressfaktoren, die mit solchen Vorhaben verbunden sind, klein zu halten. Der Halter hat die Grenzen seines Hundes realistisch und allein im Sinne seines Hundes zu sehen.
Bei der Verabreichung von Antibiotika und Impfungen gilt der Grundsatz: "So wenig wie möglich und so viel wie nötig". Bei bestimmten Erkrankungen können alternative Heilmethoden u.U. wirksamer sein als herkömmliche, da sie nicht allein symptomatisch wirken, sondern die Ursache der Erkrankung behandeln. Es sind demzufolge noch Heilmittel im wahrsten Sinne des Wortes. Wenn ein homöopathisches Medikament mal nicht passt, so hinterlässt es wenigstens keine lebensbedrohlichen Nebenwirkungen.
Kardiologen verordnen zur Behandlung von herzkranken Hunden eine Natrium arme Diät sowie Gaben von Vitamin E, Selen und Karnitin (Achtung: Trockenfutter soll bis zu 1600mg/100TS Natrium enthalten). Diese Nahrungsergänzungsmittel und eine tägliche angemessene Belastung des Herzmuskels halten einen Hund gesund. Dieses Fitnessprogramm für den Hund kommt zugleich dem Halter zugute. Da es heute immer schwieriger wird, Hunden den notwendigen täglichen Freilauf zu verschaffen, fehlt dem Hund eine wichtige Kompensationsmöglichkeit, dass er durch Ausgraben von Wurzelwerk und Fressen von Erde die evtl. fehlenden Mineralien zur Ernährung aufnehmen kann. Eine ausgewogene, vitaminreiche Ernährung im Rahmen eines biodynamischen Fütterungsplans ist für die Vorbeugung von Krankheiten bedeutungsvoll. Der Tierarzt und Heilpraktiker Dr. Thomas A. Backhaus erläutert in seinem Buch "Die heilige Gesundheit deines Hundes" – Ganzheitliche Vorsorgekonzepte, Band 1, was darunter zu verstehen ist. Der Darm übernimmt bei der Verdauung und damit für die Gesundheitsvorsorge eine maßgebliche Rolle, eben nach der Devise "Jede Krankheit entsteht im Darm". Auf der Seite 143 nennt der Verfasser allgemeine Unterstützungsmaßnahmen für das Immunsystem:

  • Aufbau einer gesunden Darmflora
  • Sinnvolle Ernährung
  • Nicht zu viel negativen Stress für den wachsenden Organismus
  • Genug Bewegung und frische Luft

Wer allerdings nur schadenfroh mit dem Zeigefinger auf einen Züchter weist, der allem Anschein nach einen kranken Hund gezüchtet hat, diffamiert nicht nur die Person, sondern schadet noch mehr dem Anliegen, die Rasse gesund zu erhalten. Außerdem besteht die absolute Möglichkeit, dass es denjenigen ebenso gut treffen kann!
Es liegt mir fern, nun den Wunsch zu äußern, dass ich mir von den Züchtern mehr Zusammenarbeit und Informationsaustausch für die Zukunft wünsche. Ich denke, dieses Ansinnen muss ich als illusorisch abhaken! Und da es glücklicherweise noch viele gesunde Windhunde gibt, brauche ich ebenso wenig in "blinde Panik" verfallen.
Nun bleibt es mir nur noch, allen Züchtern der von mir so geliebten Windhunde ein wirklich "gutes Gelingen" bei der voraussehenden Planung ihrer kommenden Würfe zu wünschen. Doch ebenso darf ich mir nicht nur schöne und schnelle, sondern vor allen Dingen gesunde Hunde wünschen, so dass wir eine schöne, lange gemeinsame Zeit mit ihnen verbringen dürfen!

Im Februar 2004

Dr. Margrit Miekeley
www.meinewindhunde.de

 

Internetadressen

Hier die Internetadressen der Institute, die DNA-Tests durchführen:

Literaturangaben

  • Dekomien Dr., Gabriele, Ruhr-Universität Bochum: DNA-Test beim Hund; Archiv der GKF
  • Dekomien Dr., Gabriele, Ruhr-Universität Bochum; Molekulargenetik in der Hundezucht; Archiv der GKF
  • Petri Dr., Nolte Prof. Dr., Distl Prof. Dr., Hannover: Erbliche Erkrankungen des Hundes – Gelenke, Knochen, Muskulatur; Archiv der GKF
  • Rine, Jasper: The Dog Genome Project; Dog Genetics; Internet-Text
  • Ostrander Dr., Elaine: Fred Hutchinson Cancer Research Center: Dog Genome; Internet-Text
  • Renfordt Dr., Helga: Hunde als Helfer in Erziehung und Therapie; in: Sabine Hanneder: Mensch und Pferd – Neue Aspekte einer alten Beziehung, Band II, S. 140-145
  • Miekeley Dr., Margrit: Aquarien und ihre Relevanz für Unterricht und Freizeit im Wandel der Zeit; Münster/ New York 1995; Kap.1 "Zur Bedeutung der Haustierhaltung am Ende des 20. Jhs.", S. 5-11
  • Backhaus Dr., Thomas A.: Die heilige Gesundheit deines Hundes, Ganzheitliche Vorsorge-Konzepte; Band 1, Longuich, o.J.
  • Geiger, Th.: Das Tier als geselliges Objekt; in: R. Thurnwald, Forschungen zur Völkerpsychologie, Band 10, S. 283-308

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